Im Gegensatz zu den Feldhasen ziehen die Wildkaninchenmütter ihre Jungtiere in Bauten auf, die nicht selten von spielenden Kindern, Hunden oder Katzen aufgegraben werden. Ein „einfach so herumliegendes“ Wildkaninchenbaby hat keine Chance mehr, allein zu überleben, da entweder der Mensch oder andere Tiere schon schneller waren und den Bau ausgeräumt haben. Diesen Wildkaninchenbabies muss geholfen werden, da sie ohne den Schutz des sicheren Baus verloren wären.
Nicht selten kommt es bei Geburten vor, dass das Muttertier stirbt und ihre Kleinen völlig auf die Hilfe des Menschen angewiesen sind, um zu überleben. Ein kleines Kaninchenbaby von Hand aufzuziehen erfordert viel Geduld. Es gibt verschiedene Dinge, die beachtet werden müssen, um den Kleinen einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen.
Zur Aufzucht der Kleinen benötigt man gehaltvolle Katzenaufzuchtmilch, wie z.B. Cimi Lac, KMR oder Cat Milk von der Firma Gimborn. Bitte keine Menschensäuglingsnahrung verwenden! Verwechseln Sie bitte auch nicht die Katzenaufzuchtmilch mit der normalen im Handel erhältlichen Katzenmilch. Die normale Katzenmilch, die meist schon fertig angerührt ist, ist auf keinen Fall zu verwenden!
Die Katzenaufzuchtmilch rühren Sie bitte im Verhältnis 1 : 2 an, also einen gestrichenen Esslöffel Aufzuchtpulver und zwei Esslöffel Tee. Als Tee können Sie römische Kamille, normalen Kamillentee oder auch Fencheltee verwenden. Römische Kamille erhalten Sie in der Apotheke. Davon geben Sie fünf Blüten auf eine Tasse Wasser und lassen den Tee dann zehn Minuten ziehen. Sollten Sie auf die Schnelle keine Aufzuchtmilch bekommen, können Sie als Notversorgung auch ausschließlich eine der drei erwähnten Teesorten verwenden. Aber bitte immer nur als Notversorgung, bis Sie schnellstmöglich die Katzenaufzuchtmilch besorgt haben. Nicht mehr als einige Stunden den/die Kleine(n) nur mit Tee versorgen. Obwohl Kaninchenmütter ihre Jungtiere nur ein- bis zweimal am Tag mit Milch versorgen, muss dies bei der Handaufzucht häufiger geschehen, da die Babies bei einer Handfütterung viel weniger Milch zu sich nehmen, als sie eigentlich bräuchten. Die Fütterungen sollten ca. alle 4 Stunden erfolgen!
Bitte nur Kamillen- bzw. Fencheltee zum Anrühren der Milch verwenden!
Über die Menge und Häufigkeit der Fütterungen streiten sich die Gemüter. In vielen Fachbüchern ist nachzulesen, dass Kaninchenmütter ihre Jungen nur einmal am Tag säugen und daher eine einzige Fütterung reichen würde. Da die Handaufzucht aber wesentlich schwieriger ist und die Kleinen dabei auch viel weniger Milch aufnehmen, als sie es bei einer einmaligen Fütterung bei ihrer Mutter machen würden, muss man unbedningt mehr als einmal täglich füttern. Wenn die neugeborenen Kaninchen auf diese Aufzuchtmilch eingestellt oder erst mit einigen Tagen auf diese Milch umgestellt werden müssen, lehnen sie diese meist ab, und es dauert etwas, bis man sie daran gewöhnt hat. Aus diesem Grund reicht eine einmalige Fütterung am Tag nicht aus! Sind die Kaninchen unter 7 Tage (Gewicht um die 60 g bis 80 g ), sollte mit Ruhe und Geduld versucht werden, pro Mahlzeit mindestens 1 ml in die kleinen Mäuler zu bekommen. Und mindestens 1 ml täglich kann für ein heranwachsendes Kaninchen nicht ausreichend sein, schon gar nicht, weil die Aufzuchtmilch nicht so nahrhaft ist wie die Kaninchenmuttermilch. Daher sollten die Tiere ca. alle 4 Stunden gefüttert werden.
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Kaninchen die Milch zu verabreichen: Entweder mit der Einwegspritze ohne Nadel, die in den ersten Lebenstagen zu empfehlen ist oder mit einem Aufzuchtfläschchen. Ich bevorzuge bei ganz kleinen Kaninchen die Einwegspritze, da man damit viel besser dosieren kann und die Kaninchen auch keine Milch in die Nase bekommen. Von der Firma Gimborn gibt es ganz spitze und dünne Gummisauger (Nr.2), die sich hervorragend auf 2-ml-Spritzen aufziehen lassen und somit eine Fütterung fast ohne Schmierereien ermöglichen. Denn es ist unbedingt darauf zu achten, dass den Tieren keine Milch in die Nase läuft, da sie in die Lunge gelangen und es zu einer Lungenentzündung kommen könnte. Kaninchenbabies haben keine große Chance, eine Lungenentzündung zu überleben, da sie noch nicht genügend Abwehrkräfte haben. Die Milch sollte körperwarm, also mit gut 36 bis 38 Grad Celsius serviert werden. Sind die Kaninchen noch sehr jung, sollte man versuchen, mindestens 1 ml pro Fütterung zu verabreichen. Das ist noch nicht sehr viel, aber nach gut ein bis zwei Tagen wird fast jedes Kaninchen dankbar von alleine trinken. Die Tiere bitte immer mindestens so viel trinken lassen, wie sie selber möchten.
Was nach jeder Mahlzeit nicht vergessen werden darf, ist die Massage des Bäuchleins, da es sonst zu Koliken kommen kann. Den Bauch immer sanft Richtung Darmausgang massieren, damit die Verdauung in Gang kommt. Ab Ende der vierten, besser ab der fünften Woche können Sie ganz langsam versuchen, das Kaninchen an Grünfutter zu gewöhnen. Aber die Milch bitte immer weiter verabreichen. Grünfutter bitte immer nur zusätzlich anbieten.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Aufzucht ist die Wärme im Käfig. Ein gut ausgestatteter Babykäfig sollte dick mit staubfreien, unbehandelten Holzspänen ausgelegt sein. Darüber kommt eine Schicht aus ebenfalls staubfreiem Heu. In eine Ecke des Käfigs gehört ein kleines Hasenhaus, in das sich die Tiere verkriechen können und in eine andere Ecke gebe ich meist einen lockeren Berg Heu, der den Kaninchen als Versteck dienen kann. Anfangs hängt immer eine Rotlichtlampe über dem Babykäfig (aber nicht bei Feldhasen!). Ich benutze eine Rotlichstalleuchte, wie sie z. B. in Schweineställen zu finden ist. Diese Lampe darf allerdings immer nur höchstens den halben Käfig beleuchten/erwärmen, damit sich die Tiere auch mal in eine andere Ecke zurückziehen können, wenn es ihnen zu warm werden sollte. Ganz wichtig ist, dass die Lampe nie über dem Hasenhaus hängt, da es darin sonst zu einem Hitzestau kommt. Bei einer handelsüblichen Rotlichtlampe ist darauf zu achten, dass diese mindestens in 1,5 m Entfernung vom Käfig steht und die Bestrahlungsdauer nicht länger als 10 bis 15 Minuten am Stück beträgt. Diese Leuchten sind nämlich um einiges heißer als die Stalleuchten. Diesen Vorgang dann alle 30 Minuten wiederholen. Aber Vorsicht!!! Man hat uns schon Kaninchen gezeigt, die von solchen Lampen regelrecht „gegrillt“ worden sind!! Eine spezielle Rotlichtlampe für Stalltiere kann dauerhaft über dem Käfig leuchten.
Probleme, die bei der Handaufzucht auftreten können
Leider kommt es, gerade bei extrem jungen Kaninchenbabies, immer wieder zu den gefürchteten Blähbäuchen, die in vielen Fällen tödlich enden. Sollte es trotz aller Vorsicht zu einem Blähbauch kommen, können Sie sehr gut das aus der Humanmedizin bekannte Sab Simplex (erhältlich in der Apotheke) zusätzlich verabreichen. Der/die Kleine(n) benötigen alle 2 Stunden 1 ml Sab Simplex pur! Dabei muss immer der Bauch massiert werden. Solche Massagen können sich auch über Stunden hinstrecken. Sollte es sich um einen mittlerweile steinharten Bauch handeln, geben Sie ca. 1 Stunde nach der Sab-Simplex-Gabe einmalig 0,5 ml Paraffinöl oral und es wird kräftig weitermassiert. Sollte der Kreislauf des Tieres versagen, kann man gut 4 Tropfen schwarzen Kaffee verabreichen (aber bitte normalen und keinen „Hallo wach“ Kaffee!). Paraffinöl bitte nur im absoluten Notfall anwenden, nie prophylaktisch!
Sollte Stunden später noch keine Besserung eingetreten sein, muss der Kleine einem Tierarzt vorgestellt werden, um ein entkrampfendes Mittel gespritzt zu bekommen.
Sollten Sie dennoch Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne per mail oder unter 0152 34329691 (Erstkontakt Whats App) zur Verfügung.
Bitte bedenken Sie, dass zu den schlimmsten Räubern in der Natur unsere geliebten Haustiere wie Hund und Katze zählen. Wie oft kommt es vor, dass Hund oder Katze ein solches Lebewesen nach Hause schleppen? Dann ist meist guter Rat teuer. Um Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, werden viele dieser Wildtiere von den Besitzern des „Räubers“ einfach wieder irgendwo ausgesetzt. Doch das ist der sichere Tod für diese Tiere. Meist verletzt durch das Gebiss von Hund oder Katze verbluten sie entweder elendig, oder, wenn sie Glück hatten und keine Verletzung davongetragen haben, was aber äußerst selten ist, dann verdursten und verhungern sie, da die Muttermilch fehlt.
Bitte bedenken Sie all dies, sollten Sie Ihre Katzen zum Streunen nach draußen schicken oder mit Ihrem Hund in Wald und Flur unterwegs sein. Achten Sie bitte darauf, was Ihr Hund macht. Vielleicht ist Ihnen auch gar nicht bewusst, dass Ihr Hund nicht einfach nur so aus Spaß an der Freud im Feld buddelt, sondern hart ackert, um den gefundenen Wildkaninchenbau auszugraben? Ermahnen Sie ihn, wenn er plötzlich ganz aufgeregt eine Spur verfolgt. Damit können Sie vielleicht noch rechtzeitig verhindern, dass er eine Sasse mit Feldhasenbabies aufstöbert.
Sollten Sie aber dennoch von Ihrem vierbeinigen Freund ein solches kleines Lebewesen nach Hause gebracht bekommen, dann handeln Sie bitte schnell. Informieren Sie umgehend die BunnyHilfe e.V., die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen wird. Jede vergeudete Minute ist für das Tier ein Schritt näher zum Tod. Auch wenn die Tiere nach außen keinen verletzen Eindruck machen, haben in der Regel fast alle von Tieren angeschleppten Feldhasen- bzw. Wildkaninchenbabies keine Überlebenschance, sollten Sie nicht in erfahrene Hände geraten. Schon so manch gut gemeinter Versuch eines Laien, das Tier selber aufzuziehen, hat den Tod des Wildtieres zur Folge gehabt.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Sie können uns in dringenden Fällen unter 0152 34329691 anrufen oder eine aussagekräftige Whats App schicken.
Bei verletzten Feldhasen, bzw. Wildkaninchen wenden Sie sich nachts bitte umgehend an den tierärztlichen Notdienst. Die Nummer können Sie meist bei der zuständigen Polizeibehörde erfragen.
Alternativ können Sie sich auch an die Notfallnummer des Wildtierwaisen Schutzes wenden unter 0151 41666688.
Unser eindringlicher Appell noch einmal an dieser Stelle: Bitte fassen Sie keine Wildtiere und deren Babies in freier Natur an!! Diese Jungtiere sind damit zum Tode verurteilt, weil sie von ihren Müttern verstoßen werden, da sie nach Mensch riechen. Sollten Sie dennoch Wildtiere angefasst oder mitgenommen haben, benachrichtigen Sie bitte umgehend die zuständigen Behörden, die Ihnen weiterhelfen werden.
© BunnyHilfe e.V.